Träger des Hauptpreises 2011:
Christoph Schlingensief †

Träger des Förderpreises 2011:
Christof Hetzer




GRUSSWORT: DIETGARD WOSIMSKY

VORSITZENDE DER HEIN-HECKROTH-GESELLSCHAFT

Sehr verehrte Frau Laberenz,

lieber Christof Hetzer,

sehr geehrter Herr Ministerialdirigent Schmitteckert,

sehr verehrte Frau Oberbürgermeisterin Grabe-Bolz,

sehr geehrter Herr Regierungspräsident Dr. Witteck

meine sehr geehrten Damen und Herren!

Im Namen der Hein-Heckroth-Gesellschaft heiße ich Sie zum feierlichen Festakt anlässlich der 5. Verleihung des Hein-Heckroth-Bühnenbild- und des Hein-Heckroth-Förderpreises sehr herzlich willkommen. 

Zweck der Heckroth-Gesellschaft ist laut Satzung die Wahrung und Pflege des künstlerischen Erbes von Hein Heckroth. 

Dieser Zweck wird verwirklicht insbesondere durch die Vorbereitungund Durchführung der Vergabe eines -Bühnenbild- und Bühnenbild–Förderpreises.

Und dieser Satzungszweck lässt uns heute einen weiteren Künstler ehren, dessen Leben und künstlerisches Werk völlig untrennbar waren, der sich als multimedialer Künstler verstand und der Theater und Film mit anderen Kunstformen zu Gesamtkunstwerken werden ließ.

Christoph Schlingensiefs Auseinandersetzung mit der Gleichgültigkeit, seine Aktionen und Installationen und nicht zuletzt seine Offenheit im Umgang mit seiner Erkrankung sorgten für viel Aufsehen.

Der Regisseur Erwin Piscator sagte einmal, „es ist unmöglich, Staub aufzuwirbeln, ohne dass einige Leute husten.“

Und - Christoph Schlingensief hat Staub aufgewirbelt.

Mit großer Sorge und Bangen habe auch ich den Kampf Christoph Schlingensiefs gegen seine Krebserkrankung in seinen Interneteintragungen verfolgt und stets gehofft, dass er heute hier seinen Preis doch noch persönlich entgegennehmen könne.

Kein Geringerer als Robert Wilson hatte ihn 2009 als Nachfolger und Preisträger vorgeschlagen und es war schön zu lesen, wie groß Christoph Schlingensiefs Freude und Dankbarkeit war, als er von der Nominierung erfuhr.

Doch es sollte anders kommen.

Seine engsten Freunde und Mitarbeiter veröffentlichten auf seiner Website: 

Ich zitiere:

„ ... du hast uns gegen die Laufrichtung in deine Gedankengänge geführt. Dort sind wir mit dir die Wände hoch gegangen, auch mal an und durch die Decke. Du hast uns mitgerissen. Wir sind deiner Leidenschaft, deinem Mut und deiner Verletzlichkeit gefolgt. Du hast uns auf den Kopf gestellt und wir haben gesehen, wie schön die Aussicht ist ...“

Und Florian Illies schrieb am 26. August 2010in der ZEIT:

„... Christoph Schlingensief konnte nicht aufhören mit dem Verschlingen der Welt, dem Probieren und dem Proben auf mehreren Bühnen gleichzeitig. Theater hier, das Operndorf in Afrika auf der anderen Seite, die Selbsthilfegruppe für Krebspatienten im Internet, seine Autobiografie:

Bis zuletzt versuchte er, im Schaffensrausch den Dämon Krebs zu besiegen; es war dann in den letzten Jahren allein seine bewunderungswürdige Ehefrau, die diesen überdrehten, heiß gelaufenen großen Künstler sanft, aber bestimmt aus dem Verkehr und ins Hotel ziehen konnte und dort Nudeln aufsetzte ...“ Zitat Ende.

Auf dem Plateau von Laongo in Burkina Faso sind die Arbeiten fürChristoph Schlingensiefs Operndorf im Gange. „Es geht weiter“, sagte Aino Laberenz „Es geht nicht darum, Christoph zu ersetzen, sondern ihn zu bewahren – sein Denken, seinen Zugang zu Afrika.“

Das hohe Ansehen, das Christoph Schlingensief in Afrika geniest, zeigt sich auch daran, dass Botschaftsrat Bengaly, im Auftrage des Kultusministeriums von Burkina Faso heute hier anwesend ist.

Haben Sie herzlichen Dank für das Zeichen, dass Sie mit Ihrem Kommen setzen.

Sehr verehrte Frau Laberenz, Sie sind gestern zwar nicht aus Afrika angereist - sondern aus Venedig, mitten aus den Vorbereitungen für den Deutschen Pavillon der Biennale, wo Sie ebenfalls die Arbeit Ihres Mannes fortführen.

Wir danken Ihnen, dass Sie gekommen sind, diese Ehrung heute für Ihren Mann entgegenzunehmen.

Wir hoffen, dass das Preisgeld dieser Auszeichnung ein ganz kleiner Baustein für das kühne und faszinierende Projekt in Burkina Faso bedeuten kann und wünschen Ihnen für diese große Aufgabe alles erdenklich Gute!

Überreicht wird Ihnen der Preis des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst von Herrn Ministerialdirigent
Günter Schmitteckert in Vertretung von Frau Staatsministerin Kühne-Hörmann.

Sehr geehrter Herr Schmitteckert, wir danken Ihnen, dass Ihr Haus mit der Bereitstellung des Preisgeldes diese 5. Verleihung wieder möglich gemacht hat.

In diesen Dank schließe ich ein den Referenten für Theater am Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Herrn Albert Zetzsche, für die stets gute und wohlwollende Zusammenarbeit.

Herzlich willkommen heißen möchte ich nun unsere Laudatorin,
Frau Dr. Elisabeth Schweeger, Intendantin der KunstFestSpiele Herrenhausen.

Ich nehme an, die meisten von Ihnen werden sie aus ihrer Zeit als Intendantin des Schauspielhauses Frankfurt kennen.

Liebe Frau Dr. Schweeger, Sie haben sich spontan bereit erklärt heutehier die Laudatio auf Christoph Schlingensief zu halten.

Sowohl dafür, als auch für die Vermittlung der Interpreten unserer heutigen musikalischen Beiträge, möchte ich Ihnen im Namen der Hein-Heckroth-Gesellschaft ganz herzlich Dank sagen.

Herr Otto Katzameier hatte, wie er mir sagte, das Glück 2 Monate mit Christoph Schlingensief an einem Projekt in Bonn arbeiten zu können. Er empfindet diese Zeit als eine ganz besondere Bereicherung. Und- dass Herr Katzameier auch Mahler-Lieder in seinem Repertoire hatte, von denen ich wusste, dass Schlingensief sie mochte und war eine glückliche Fügung. Trotz des engen Probenplans für eine Uraufführung bei den Schwetzinger Festspielen hatte- welch ein Glück- Herr Katzameier heute eigentlich einen freien Tag. Wir wissen es zu schätzen, daß er ihn für uns und im Andenken an Christoph Schlingensief geopfert hat.

Vielen Dank Herr Katzameier, vielen Dank auch Ihrer Begleitung am Flügel, Frau de Marcken.

Als eine weitere glückliche Fügung empfinde ich die Tatsache,
dassder junge, talentierte Christof Hetzer uns noch von Schlingensief als Förderpreisträger anempfohlen wurde, obgleich sich die beiden noch nie persönlich begegnet waren.

Christof Hetzer überraschte diese Nominierung in der Tat sehr, war er doch der Meinung, Schlingensief habe ihn gar nicht gekannt.

Lieber Herr Hetzer, ich heiße Sie, herzlich willkommen hier in Gießen. Als Laudator für Christof Hetzer haben wir keinen geringeren als den Direktor des Opernhauses Basel, Herrn Dietmar Schwarz, eingeladen. Sein Kommen wissen wir besonders zu schätzen, da er als zukünftiger Intendant der Deutschen Oper Berlin einen übervollen Terminkalender hat. Vielen Dank!

Die Verleihung des Förderpreises wird unsere Oberbürgermeisterin, Frau Dietlind Grabe-Bolz, vornehmen,
die ich ebenso wie den Stadtverordnetenvorsteher Herrn Dieter Gail, den Landtagsabgeordneten Gerhard Merz, die Stadträte Monika Graulich, Dr. Bernhard Höpfner und Susanne Koltermann sowie die zahlreichen anwesenden Giessener Stadtverordneten begrüßen möchte.

Auch diese5. Verleihung, wäre ohne die Bereitstellung des Preisgeldes vonseiten der Stadt Gießen nicht möglich gewesen.

Aber-   ich bin mir sicher, der Name unserer Stadt wird im Zusammenhang mit diesem Förderpreis in der Biografie
von Christof Hetzer in Zukunft an vielen großen Theatern und Opernhäusern zu lesen sein.

Eine weitere Säule ohne die eine solche Veranstaltung nicht stattfinden könnte, ist die Hein-Heckroth-Gesellschaft.

Ich danke von Herzen meinen beiden Vorstandskollegen,
Herrn Dr. Michael Breitbach und Herrn Dr. Klaus Ringel,
allen Mitgliedern, aberganz besonders unseren beiden Ehrenmitgliedern Frau Staatsministerin a.D. Ruth Wagner
und Herrn Prof. Heiner Goebbels.

Frau Wagner hat vor genau zehn Jahren während ihrer Amtszeit als Ministerin für Wissenschaft und Kunst unsere Vision aufgegriffen und den Weg bereitet, einen solchen Preis, den es bis dahin in Deutschland bzw. in Europa noch nicht gab, zu etablieren.

Herr Prof. Goebbels, der Präsident der Hessischen Theaterakademie, Intendant der Ruhr-Triennale 2012-2014 und Leiter des Instituts für Angewandte Theaterwissenschaft an der Universität Gießen, steht mir immer, auch per e-mail in einer für ihn ganz speziellen Kurzform, mit Rat zur Seite, ganz gleich, wo auf der Welt er sich aufhält. Ihm verdanken wir auch zwei wunderbare Laudationes,
 2003 auf Erich Wonder und 2009 auf Robert Wilson,
  - nachzulesen in den Dokumentationen, wie wir sie
von allen vier bisherigen Preisverleihungen haben drucken lassen.

Diese Bände können Sie heute im Foyer erwerben.

Auch den Präsidenten der Justus-Liebig-Universität Gießen
Herrn Prof. Mukherjee und den Vizepräsidenten der Technischen Hochschule Mittelhessen Herrn Prof. Schumann möchte ich begrüßen. Ich freue mich über Ihr Kommen.

Wie Sie aus der Einladungskarte und dem Programm entnehmen können, wird diese Veranstaltung nicht nur von dem Land Hessen, der Stadt Gießen und dem Stadttheater unterstützt-
sondern auch von der Sparkassen-Stiftung Hessen-Thüringen,
der Sparkasse Gießen und der Volksbank Mittelhessen.

Herr Dr. Wurzel, Herr Bergenthum, Herr Remmele
besten Dank! 

Sie alle tragen mit Ihrem Engagement dazu bei, dass dieser Preis,
der alle 2 Jahre vergeben wird, Gießen, sein Theater und
Hein-Heckroth auch überregional wahrgenommen werden und-
  - wir hoffen, dass dieser einzigartige Bühnenbildpreis auch weiterhin verliehen werden kann.

Dass wir die Möglichkeit haben, einen Theaterpreis auch in unserem geliebten Gießener Theater vergeben zu können, dafür danke ich
Frau Cathérine Miville, unserer Intendantin, und all denen,
die hinter den Kulissen zum Gelingen beitragen.

Wie bei jedem unserer Festakte möchte ich auch dieses Mal den Namensgeber unseres Bühnenbildpreises Hein Heckroth
kurz zu Wort kommen lassen.

Denn auch er hat, ähnlich wie unser heutiger Preisträger,
für die damalige Zeit ungewöhnliche neue Entwicklungen
und Sichtweisen für das Theater und den Film genutzt
und - teilweise, wie Sie gleich hören werden, auch für Irritationen gesorgt.

Ausgesucht habe ich Ausschnitte eines Films von 1968, in denen es u.a. um die Planung und Umsetzung eines Bühnenbildes am Schauspiel Frankfurt geht und in denen wir den „Sir“, wie Heckroth im Theater genannt wurde, in Aktion erleben können.

Ich freue mich sehr, daß auch sein Enkel, Jodi Routh mit seiner Frau Sonja heute hier ist und bedanke mich bei ihm für das Schneiden des Filmes.

Und nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, wünsche ich uns allen einen schönen und anregenden Vormittag.

Vielen Dank


Laudatio auf Christoph Schlingensief:
Dr. Elisabeth Schweeger


Intendantin der KunstFestSpiele Herrenhausen

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Aino Laberenz!
 
Ich freue mich, dass ich auf Christoph Schlingensief eine Lobrede halten darf. Herzlichen Dank für diese Einladung, die mich besonders ehrt, weil ich zwar viel mit ihm immer wieder zusammengearbeitet habe, aber sicher hätten andere, die weit mehr mit ihm zu tun hatten, ein legitimeres Anrecht, hier auf ihn und für ihn zu sprechen.
Und schön, dass ein Tulpe seinen leider leeren Platz heute ziert, eine Blume des Frühlings, des Neuanfangs, des immer wiederkehrenden Lebens. Ein gutes Bild für ein Künstlerleben, dessen Wirkung so stark ist, dass die Erinnerung an ihn so frisch, so elementar, so lebendig eben bleibt, als wäre er noch da.
 
Schlingensief in ein paar Sätzen zu fassen, ihn mit einigen Worten zu beschreiben, scheint mir ein Ding der Unmöglichkeit. Die Faszination seiner Arbeit und seiner Person lag darin, dass er immer emotional gehandelt hat, dabei aber stets glasklar war im Einsatz und Umgang mit der Medialität und den Kommunikationsfähigkeiten unserer Zeit. Er spekulierte nicht, er wiederlegte jede Erwartung, er legte sich an, er distanzierte sich nicht mit `coolness´ oder Skepsis. Er sprach von Intransparenz und meinte Authentizität. Seine Kunst kreierte damit immer mehr Schnittstellen nach außen, was zwangsläufig die Menschen zur Interaktion einlud.
 
Die Kunst, die bereits seit dem Beginn des letzten Jahrhunderts mehr und mehr an ihren eigenen Grenzen und an der Auflösung der einzelnen Disziplinen arbeitet, wurde bei Schlingensief zum Instrument, das nicht mehr gedeutet werden musste, sondern sich selbst widerlegen konnte. Er war Theatermacher ohne Regisseur zu sein, er war Raumgestalter ohne Bühnenbildner zu sein, er war Schriftsteller, Filmemacher, Bildender Künstler, Performer ohne es zu sein und war es doch und gleichzeitig alles miteinander. Das eine konnte für sich nicht sein und bedingte auch das andere. So verschmolz oft alles in eine große Komplexität, wie Welt eben an sich. Schlingensief löste damit einen Wendepunkt aus, an dem sich Kunst neu definieren wird müssen.
 
Sein Wiener Container-Projekt `Ausländer raus´ z.B. legte Zeugnis ab von dieser Neudefinition von Kunst, wo Kunst im klassischen Sinn sich nicht mehr wiederfand, weil sie sich plötzlich u.a. mit Formen von Reality-Shows konfrontiert sah. Schlingensief gelang damit im Kunstkontext eine aggressive Einmischung in politische Themen, indem er durch Form, Stil und Inhalt antithetisch vorging: „(Jörg) Haider zu widerlegen geht nicht. Haider durchspielen geht“. So waren denn auch die Beteiligten seiner Aufführungen nicht immer Schauspieler, sondern auch Betroffene: Ausländer, Ex-Neonazis, Behinderte etc.. Er spielte also durch, wie im Labor, was es bedeutet, jemanden zu stigmatisieren und ihn am Ende des Tages des Landes zu verweisen. Ähnlich war sein Projekt der Parteigründung `Chance 2000´ zu verstehen oder `Church of Fear´.
 
Kunst wurde zum Testlabor. Und zum Theater sagte er konsequenter Weise, das ist Politik. Schlingensief verwahrte sich davor, Kunst unabhängig vom Leben zu sehen. Die Trennung Kunst - Leben gab es bei ihm nicht. In der Aufhebung der Grenzen zwischen den Kunst- Disziplinen und der Lebensgestaltung, in seiner begnadeten Offenheit und Unverfrorenheit und in seiner ebenso begnadet unverschämten Handhabung aller Mittel, die ihm die Moderne Medienwelt zur Verfügung stellt, wurde Kunst bei ihm zum Instrument, wenn nicht zur Waffe. Sie ermöglichte ihm konkret Stellung zu beziehen und sich einzumischen, - dass muss man sich vergegenwärtigen und kann nicht genug darauf verweisen, weil es doch so selten geworden ist! - sich einzumischen, auf tagesaktuelle Themen einzugehen und die Verantwortung für die Gesellschaft ernst zu nehmen: also gestalterisch in den gesellschaftlichen Kontext hinein zu wirken, wie das zuletzt dann auch in dem Projekt Operndorf Remdoogo seine konkreteste Ausformung fand.
 
Diesem Impetus lag ein Begriff von Freiheit zugrunde, den er einforderte, und den er für sich beanspruchte. Deswegen erlaubte er sich auch Übergriffe, die scheinbar Regelverletzungen darstellten, inhaltlich wie stilistisch und schuf durch sie hindurch nicht Wirklichkeit, wie Theater das oft von sich behauptet, sondern greift diese an und macht Kunst damit zur Wirklichkeit und umgekehrt.
 
Ich verstehe Schlingensief als einen, der um die Welt wusste, ein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein hatte und im buchstäblichen Sinne immer auf Sendung war. Es schien, als ob eine Verpflichtung, eine Verantwortung ihn antrieb, die jeden in seinen Bann zog. Schlingensiefs Werk hinterlässt tiefe Spuren.
 
An dieser Stelle möchte ich es nicht verabsäumen, darauf hinzuweisen, dass Schlingensief aber auch wichtige Partner hatte, die Teil seiner Arbeit, die Anteil an seinem künstlerischen Schaffen hatten: Das ist Aino Laberenz, die als Künstlerin für die Kostüme verantwortlich zeichnete und das ist Thomas Goerge, der nun leider auch sehr schwer erkrankt ist. Thomas Goerge und Schlingensief haben sich 2001 bei mir im schauspielfrankfurt kennen gelernt und von da an kontinuierlich zusammen gearbeitet. Als Bühnenbildner hat er Schlingensiefs Welt umgesetzt, hat mitgedacht, und auch mitgestaltet, ob es nun Arbeiten für die Bühne, den öffentlichen Raum, den Kunstraum oder für Remdoogo in Burkina Faso war. Beide Künstler sind untrennbar von Schlingensiefs Welt.
 
Als Inszenierungen der Jetztzeit, zwar deutsch geprägt, aber in ihrem doch hochmoralischen Anliegen menschlich allgemein gültig, stellen seine Arbeiten eine neue Ikonografie auf, die Kunst mit dem Alltag engstes verknüpft.
 
Es entstanden dadurch neue Zugriffe, neue Blicke auf Realität, neue Deutungen von Kunst: nichts blieb unberührt in seiner Arbeit: da traf der Katholizismus auf die Konsumwelt, das stoßen verschiedene Kulturen aufeinander, da trifft Moral auf Unmoral, da verkehren sich die Systeme, da schlägt er die Unterhaltungsindustrie mit ihren eigenen Mitteln und verdonnert das herkömmliche Stadttheater als Unterhaltungsfabrik. Da werden alle Kunstmittel miteinander verwoben, benutzt. Der Film z.B. , sein ursächlichstes künstlerisches Mittel, ein technisches Mittel, das der Bewegung verpflichtet ist, Schnitte zulässt, Einschnitte, Verdrehungen, falsche Perspektiven etc., bestimmte auch ästhetisch seine weitere Arbeiten, sei es auf der Bühne, im Kunstraum, im öffentlichen Raum, im Buch.
 
Seine Kunst ist widersprüchlich, ideologielos, offen. Er scheute vor nichts zurück, holte sich, was er brauchte von Goethe bis Immendorf, von Nietzsche bis Warhol, von Schönberg bis Jelinek und würfelt es neu zusammen - erstaunliche Drehbücher, Texte, Aufführungen, Installationen sind dadurch entstanden. Er war ein kongenialer Plagiator, ein Kunst-dj und -vj zugleich, der sich dazu ganz öffentlich bekannte. Wahrheit in ihrer unglaublichen Komplexität erstand und man entkam dem berührenden Staunen nicht. Kunst, meinte er „wird dann interessant, wenn wir vor etwas stehen, was wir nicht restlos erklären können“.
 
Christoph Schlingensiefs Gang nach Afrika war demnach nur folgerichtig. Dort konnte er etwas lostreten, etwas in Bewegung setzen, aber seine Grenzen waren klar für ihn erkennbar. Allein schon die Sprache, die andere Kultur waren Barrieren des Verständnisses. Plötzlich war nur mehr vertrauen möglich. Plötzlich war nur das schöne Staunen möglich. Er hat etwas geschaffen, und dadurch Bewegung erzeugt. Und damit auf wunderbare Weise gezeigt, dass mit künstlerischem Denken und Handeln Berge zu versetzen sind und Erkenntnisse stattfinden, die dem eigenen wie dem anderen Ich eine Souveränität zutraut, die sich wehrt, sich erheben kann, selbst sein kann. Am deutlichsten war das in seinem Stück `Mea Culpa´ zu erkennen, wo er mit großer Heiterkeit dem Tod den Finger zeigt und sich selbst als Schöpfer seines Lebens deklariert.
 
Schlingensief bewirkte, dass an der eigenen Wahrnehmung gerüttelt und an ihr gezerrt wurde, bis man entnervt, entzückt, verrückt, staunend zurückblieb. Gemeinsam mit dem Künstler, der oft mittendrin als Moderator, Spiritus rectus, Schauspieler, Verführer eine scheinbar außer Kontrolle geratene Wirklichkeit ins Visier nahm.
 
Ein liebender Moralist, erkrankt am deutschen Wesen, dessen Vergangenheit und dessen ungewissen Zukunft (er sprach einmal vom fauligen Geruch in Deutschland), aber auch an der Unklarheit von Welt insgesamt, die er aber auch nicht missen konnte, nicht missen wollte - einfach liebte.
 
“Die große Kraft aber“, schreibt Schlingensief, „ liegt in der Unklarheit, in der Gewissheit, dass es keine Lösung gibt, sondern Transformationen und Formveränderungen….das ist für mich nicht fatalistisch, das ist ein ganz großes ja zum leben” (C. Schlingensief)
Er bekäme “Darmverschlingungen“ hat er mir einmal per sms zugerufen, als ihm was nicht passte. Jede Ungerechtigkeit, jeder Unverstand hat ihn persönlich getroffen, an seinem Körper gezehrt. Er war wie ein Seismograph, der alles aufnahm und sich nur dank seiner Kunst schützen konnte, eine begnadeter Chronist unserer Zeit, der mit den Mitteln der Kunst dem Leben großartige Freiheiten (zurück)gab.
 
Wir sind ihm zu großem Dank verpflichtet. Dank aber auch an Aino Laberenz, die ihn als Künstlerin und als Frau so großartig begleitet hat.


Preisverleihung:
Ministerialdirigent Günter Schmitteckert


Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst

Sehr verehrte Frau Laberenz,
sehr verehrte Frau Oberbürgermeisterin Grabe-Bolz,
sehr verehrte Frau Wosimsky,
verehrte Frau Dr. Schweeger, Guten Tag,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
 
Frau Staatsministerin Kühne-Hörmann musste kurzfristig ihre Teilnahme an der heutigen Preisverleihung absagen, was sie sehr bedauert und wofür ich Sie herzlich um Verständnis bitten möchte. Daher habe ich heute die große Ehre und Freude, Ihnen allen die herzlichsten Grüße der Hessischen Landesregierung zu überbringen. Mein Name ist Günter Schmitteckert und ich leite die wunderbare Abteilung Kultur und Kunst im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst.
 
Ich bin heute besonders gern nach Gießen gekommen, verfolge ich doch die Hein-Heckroth- Preisverleihung schon seit Jahren mit großem Interesse. Dabei ist es gewiss nicht allein die beeindruckende Prominenz der Preisträger, die mein und sicherlich auch das Interesse vieler anderer Besucher weckt. Es ist vielmehr die Chance zur sehr unmittelbaren und persönlichen Begegnungen mit den herausragendsten Künstlern ihres Fachs. Diese gehört - so meine ich - zur einzigartigen Atmosphäre dieser Preisverleihungen hier im Stadttheater Gießen und macht den eigentlichen Reiz dieser Veranstaltung aus.
 
Wie Sie alle wissen, ist uns gerade diese persönliche Begegnung mit dem heutigen Haupt- Preisträger verwehrt. Christoph Schlingensief starb am 21. August 2010 an seiner schweren Krankheit!
 
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine persönliche Anmerkung: Ich habe das Gefühl, Christoph Schlingensief -wenn auch erst nach seinem Tod- etwas nahe gekommen zu sein. Die Lektüre seines Tagebuchs, die ich auch gerade jenen empfehlen möchte, die der Auffassung seiner Kunst vielleicht eher verhalten gegenüberstanden, hat mich sehr berührt.
 
Eindrücklicher als mit dem Satz: (ich zitiere) „Ich schaue aus dem Fenster und staune, als hätte ich noch nie Sonne und Wolken gesehen“(Zitat Ende) konnte er angesichts der Endlichkeit des eigenen Lebens seine Gefühle kaum ausdrücken.
 
Und wie eine Fügung und mit großer Freude durfte ich vor einiger Zeit den Christoph Schlingensiefs Architekten, Francis Kéré, persönlich kennenlernen. Leider kann er heute nicht hier sein. Seiner herzlichen Einladung zum Operndorf nach Laongo unweit von Ouagadougou in Burkina Faso wäre ich in den letzten Wochen so gerne gefolgt, hätte mich nicht eine Schulteroperation daran gehindert. So ist die Gelegenheit, Christoph Schlingensief und seinem Werk ein weiteres Mal nahezukommen, mir bisher nicht geglückt. Aber bekanntlich ist aufgeschoben nicht aufgehoben!
 
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte es mit diesen wenigen persönlichen Anmerkungen belassen. Der brillanten und herzlichen Laudatio von Frau Dr. Schweeger ist nichts hinzuzufügen.
 
Lassen Sie mich daher an dieser Stelle Dank sagen: Ein großer Dank gebührt der Hein-Heckroth-Gesellschaft und ihrer Vorsitzenden, Frau Dietgart Wosimsky, die den Preisvorschlag von Robert Wilson so würdig bis hin zur heutigen Preisverleihung umgesetzt hat. Vielen Dank!
 
Danken will ich auch der Stadt Gießen und Frau Oberbürgermeisterin Grabe-Bolz für die verlässliche Unterstützung und Stiftung des Förderpreises. Danke!
 
Ihnen, verehrter Christof Hetzer, möchte ich schon jetzt herzlich als Förderpreisträger gratulieren.
 
Aber auch allen anderen Unterstützern, Sponsoren und Mitwirkenden der heutigen Veranstaltung sei herzlich gedankt, dass sie für die Fortsetzung der inzwischen schon guten Tradition der Preisverleihung gesorgt haben.
 
 
Nun komme ich zur Überreichung der Urkunde an Sie, verehrte Frau Laberenz, und darf Sie hierzu auf die Bühne bitten.
  
 
Die Hein-Heckroth-Gesellschaft Gießen e.V.
verleiht den vom
Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst
gestifteten
 
Hein-Heckroth-Bühnenbildpreis 2011
 
an
 
Christoph Schlingensief posthum
 
in Anerkennung seiner herausragenden und außergewöhnlichen künstlerischen Arbeiten.
 
Christoph Schlingensief war eine der ungewöhnlichsten Erscheinungen im kulturellen Leben Deutschlands der letzten 30 Jahre. Er war „ein Aufklärer“, wie Wolfgang Höbel im Spiegel schrieb, ein „letzter Moralist“, wie der Kritiker C. Bernd Sucher es formulierte, der die deutsche Kulturszene aufwühlte und seine künstlerische Sprache immer in den gesellschaftlichen Raum hineintrug. Er polarisierte mit seinen künstlerischen Arbeiten, die sämtliche Mittel der verschiedensten Künste und anderer Disziplinen miteinander verwob.
Er war ein Visionär, der fest daran glaubte, mit der Kraft der Kunst die Welt bewegen und verändern zu können.
 
Gießen, den 10. April 2011

Dankesworte: Aino Laberenz

Ich will nicht viel sagen, ich bin auch nicht so eine große Rednerin.

Ich möchte mich einfach nur für diesen Preis bedanken.
 
Ich freue mich, dass Christoph als Bühnenbildner gesehen worden ist. Er hat in sehr vielen Bereichen gearbeitet, aber immer war er auch Bühnenbildner. Das sieht man nicht nur an seinen Theaterbühnen sondern auch an seinen Kinematographen, Installationen und am Operndorf.
 
Er hat immer gesagt, der Raum bestimmt Dich und nicht Du den Raum.
 
Das - finde ich - ist eigentlich etwas sehr Wichtiges und ich weiß, dass er sich über diese Auszeichnung sehr gefreut hat.
 
Dankeschön!


Laudatio auf Christof Hetzer: Dietmar Schwarz

Direktor der Oper Basel, design. Intendant der Deutschen Oper Berlin

Meine sehr verehrten Damen und Herren.
 
Christoph Schlingensief kannte ich persönlich kaum, ich wechselte einmal in Bayreuth während der ersten Generalprobe seiner "Parsifal"- Inszenierung ein paar Worte mit ihm und fragte ihn, ob er sich auch vorstellen könnte, in Basel zu inszenieren, was er freudig bejahte.
Leider kam es dazu nicht mehr.
 
Nun werde ich ab August 2012 als Intendant an die Deutsche Oper Berlin wechseln und bin hierbei auch besonders stolz darauf, dass ich dort eine der wenigen noch vorhandenen Schlingensief-Inszenierungen, nämlich die von Walter Braunfels Oper "Johanna", im Repertoire dieses Hauses vorfinden darf.
 
Als Christof Hetzer mich fragte, ob ich an der heutigen Preisverleihung teilnehmen könnte, schreckte mich zunächst die Tatsache, dass ich an Stelle des verstorbenen genialen Gesamtkunstwerker Christoph Schlingensief über Christof Hetzer sprechen soll. Meine Perspektive auf die Arbeiten Christof Hetzers ist sicherlich eine ganz andere als die Christoph Schlingensiefs, dann aber reizte es mich darüber nachzudenken, was hat oder hätte Schlingensief an Hetzers Kunst gefallen.
 
Da ist zum einen sicherlich die immer wieder gestellte und auch zu stellende Frage nach der Aktualität von Musiktheater heute. Hat diese alte Kunstform `Oper´ in unserer komplexen und teilweise äusserst unübersichtlichen Zeit noch das Sagen bzw. was zu sagen: Schliegensief antwortete auf diese Frage mit dem Bayreuther Parsifal. Seelenverwandt mit dem visionären Kunst-Revoluzzer Richard Wagner schuf er Bilder, die assoziativ aus der Musik entstanden und dann in einem zweiten Schritt beim Zuschauer und Zuhörer wieder assoziativ die jeweilige innere wie äussere Gegenwart spiegelten. Selten blieben mir Bilder aus einer Operninszenierung solange im Kopf wie die aus Schlingensiefs `Parsifal´.
 
Christof Hetzer hat gerade bei uns in Basel zusammen mit dem jungen Regisseur David Hermann, mit dem er ein sehr enges Team bildet, Pique Dame von Tschaikowski auf die Bühne gebracht: Die Figuren dieser Oper werden zunächst -quasi geschützt- in geschlossenen Räumen gezeigt. Im Laufe des Abends öffnen sich die Räume immer weiter und werden für die Figuren immer bedrohlicher und gefährlicher. Manches, was zunächst wirklich erscheint, erhält im nächsten Moment eine geisterhafte Irrealität. Die Menschen sehen sich mit Dingen konfrontiert, die sie einzuordnen, nicht mehr in der Lage sind.
 
Christof Hetzer ist -und das müsste Christoph Schlingensief auch gefallen haben- ein Musiktheatermann im besten Sinne: Musik, Text, Dramaturgie, Licht, Kostüme und Bühne fügen sich in seiner Beteiligung zum Ganzen: Wie anhand der `Pique Dame´- Produktion zu erklären versucht, wird Hetzers Raum zum Stück, das Stück wird zum Raum - und das immer wieder anders. Einen einheitlichen Stil gibt es nicht und doch ist sein Stil immer eigenwillig. Er scheint immer neugierig zu sein, er experimentiert, verändert, fixiert dann doch und lässt immer Luft für den Zuschauer.
 
Er schafft keine Illusionsbühnen, aber greift auch nicht zur Alternative: der nackten, rein technisch bestückten Funktionsbühne. Und begibt sich durch das zwischen den Stühlen sitzen auf einen neuen, wahrscheinlich den richtigen Weg.
 
Er möchte erzählen, und zaubern, gleichermassen zeigen und entzaubern, analysieren mit den Mitteln des Theaters und nutzt dabei alte wie neue Techniken, oft auch in Mischungen. Wider den Dogmatismus könnte sein Credo heissen. Und: Lass uns Geschichten erzählen, aber auch zeigen, wie sie erzählt werden.

Preisverleihung Förderpreis: Dietlind Grabe-Bolz

OBERBÜRGERMEISTERIN DER STADT GIESSEn

Sehr geehrter Herr Ministerialdirigent Schmidt-Eckert,
sehr geehrte Frau Dr. Schweeger,
sehr geehrter Herr Schwarz,
sehr geehrte Frau Laberenz,
sehr geehrte Frau Wosimsky,
ehr geehrte Frau Miville,
sehr geehrte Damen und Herren,
 
Gießen ist nicht Berlin.
Und dennoch hat diese kleine, feine Stadt doch eine erstaunliche, gar nicht so kleine, feine Kultur- und Geistesgeschichte, ein überaus reges kleines, feines Theater und einen großen, bedeutenden Sohn. Das zusammengenommen ist der Grund, weshalb wir uns heute hier versammelt haben.
 
Hein Heckroth war ein bildmächtiger, ein zu Recht international berühmter Bühnenbildner und wir sind stolz darauf, dass er nicht nur hier geboren ist, sondern auch hier gearbeitet und bis zu seinem Tod gern Kontakt nach Gießen gehalten hat. Und wir sind stolz darauf, nicht nur eine Hein-Heckroth-Straße und eine Hein-Heckroth-Büste in unserem Stadtgebiet zu haben. Unser Oberhessisches Museum bewahrt auch einen kleinen Hein-Heckroth-Schatz: etwa 50 Arbeiten, Aquarelle, Ölbilder, Zeichnungen aus allen Lebenszeiten haben wir verwahrt und durch Sonderausstellungen und ein Buch tragen wir voll Stolz zur Erinnerung an Heckroth bei. Es ist der Stadt Gießen daher nicht Pflicht, sondern Ehre, uns mit der Stiftung des Nachwuchspreises, des Förderpreises Hein Heckroth, an der gepflegten Erinnerung an diesen großartigen Künstler zu beteiligen.
 
Ich danke dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, dass Sie den bereits zur Tradition gewordenen Hein-Heckroth-Bühnenbildpreis auch weiterhin unterstützen. Und ich beglückwünsche Sie zu der Entscheidung, Christoph Schlingensief postum zu würdigen. Ich kann mir keinen besseren Preisträger vorstellen und bedaure es wirklich zutiefst, dass Herr Schlingensief diese Auszeichnung nicht mehr erleben durfte. Bei der Vergabe des Förderpreises der Stadt Gießen wissen wir uns im Einklang mit dem Willen Ihres Mannes. Denn es war Wunsch Christoph Schlingensiefs, dass Herr Christof Hetzer diesen Preis als Auszeichnung eines hochtalentierten Nachwuchskünstlers erhält. Wir verstehen sie als Signal für die Zukunft, als eine Verpflichtung, eine Option auf Staunen, Neugierde und Freude. Wir wollen auf dem beschwerlichen Weg, den junge Bühnenbildnerinnen und Bühnenbildner heute beschreiten, helfen und moralisch unterstützen.
 
Ein Bühnenbild ist mehr als die Kulisse für ein Kunstwerk, das Regie und Ensemble vollbringen. Ein Bühnenbild ist selbst Kunst, hält Kontakt zur bildenden Kunst und ist sich selbst dennoch alleine nicht genug. Nur im Dialog mit der darstellenden Kunst schafft es ein Gesamtkunstwerk. Und trägt damit dazu bei, dass die Kraft und Lebendigkeit des Theaters als Ort der Kultur möglich gemacht, ja das Gespräch über Kunst in all ihren Facetten wach gehalten und bereichert wird. In keinem anderen künstlerischen Medium ist ein solcher Dialog naturgemäß vorgegeben. Nirgendwo sonst erleben wir die Spannungen der unterschiedlichen Arten, Herangehensweisen und Perspektiven künstlerischen Wirkens so nah wie im Dialog zwischen Bühnenbild und darstellender Kunst. Nirgendwo sonst sind wir so gefeit vor dem Einfluss schnelllebiger und vergänglicher Moden.
 
Die heutige Verleihung des Heckroth-Förderpreises ist darum auch eine Huldigung an die Kraft des Theaters. Die Preisverleihung an Christof Hetzer gleichsam eine Huldigung an die Avantgarde, die Umstände neu gestaltet und Gegebenes anders interpretiert. Christof Hetzer hat an vielen großen Theatern gearbeitet, mit bedeutenden Regisseuren Umsetzungen gestaltet, ist einer von den empfänglichen Seismographen geworden, die die Erschütterungen, die Beben der Welt in ihrer Kunst einfangen und aufzeigen. Vielleicht trägt unser Förderpreis dazu bei, wie ein Anfeuerungsruf zu ermutigen, weiterzumachen auf diesem Weg. Das wünsche ich mir. Diese Veranstaltung ist aber auch ein deutliches und sichtbares Zeichen, dass in unserer Stadt Kultur lebt. Deswegen ist uns der Förderpreis wichtig. Wir wollen mit den jungen Menschen in das Zukünftige hineinschauen.
 
Ich danke den Laudatoren und der Hein-Heckroth-Gesellschaft Gießen e. V. für die Veranstaltung, für die viele Arbeit und vor allem auch Ihnen, Frau Wosimsky, der Vorsitzenden der Hein- Heckroth-Gesellschaft, für die große Mühe, die Sie sich mit diesem anspruchsvollen Projekt immer wieder machen.
 
Ich danke auch dem Stadttheater und seiner Intendantin Cathérine Miville, dass wir, unterstützt vom Theater, diese so wichtige Veranstaltung zum wiederholten Male an diesem Ort erleben dürfen, in dem das Bühnenbild lebt und uns immer wieder neu zum Leben erweckt.
 
Meine Damen und Herren, Ihre Anwesenheit ist ebenso dankenswert. Sie ermutigt uns, den begonnenen Weg weiterzugehen. Sie ermutigt im Vertrauen auf die Theaterfreunde und Kunstfreunde, auch in der Zukunft weitere Bühnenbildpreisträger auszuloben und Förderpreise zu vergeben.
 
Dietmar Schwarz, der designierte Intendant der Deutschen Oper Berlin, hat Christof Hetzer dankenswert gewürdigt. So bleibt mir vor abschließendem Liedbeitrag und Sektempfang die schöne Aufgabe, dem jungen Talent den Preis zu übereichen und herzlich zu gratulieren. Verehrter Herr Hetzer, ich darf Ihnen im Namen des Magistrats der Universitätsstadt Gießen den Hein-Heckroth-Förderpreis 2011 mit großer Anerkennung überreichen und Ihnen alles Gute für die Zukunft wünschen.
 
Für Ihre Bühnenbildwelt wünsche ich Ihnen und uns: Einsicht, Weitsicht und Erkenntnis.
 

 
Die Hein-Heckroth-Gesellschaft Gießen e.V.
verleiht den von der
Universitätsstadt Gießen
gestifteten
  
Hein-Heckroth-Förderpreis 2011
 
an
 
Herrn Christof Hetzer, Berlin
 
in Anerkennung der besonderen künstlerischen Qualität seiner bühnenbildnerischen Arbeiten.
 
Christof Hetzer erzählt Theater in einer starken, eigenwilligen Bildsprache. Er ist ein Musiktheatermann im besten, kreativsten und stimmigstem Sinne: Musik, Text, Dramaturgie, Licht, Kostüme und Bühne fügen sich in seiner Beteiligung zum Ganzen.
 

Gießen, den 10. April 2011

Dankesworte: Christof Hetzer

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
liebe Frau Wosimsky,
 
ich freue mich wirklich sehr über diesen Preis und möchte mich ganz herzlich bedanken!
 
Außerdem bedanke ich mich bei Dietmar Schwarz für die schönen Worte, bei meinem Vater, Knut Hetzer, der tatsächlich bei Hein Heckroth Bühnenmalerei gelernt hat und der mir die Welt des Theaters eröffnet hat, bei meinen Lehrern Bernhard Kleber und Erich Wonder, bei David Hermann für die schöne andauernde Zusammenarbeit.
 
Außerdem bei Thomas Goerge, ich wünsche ihm alles Gute und hoffe dass er bald wieder auf den Beinen ist.
 
Ich bedanke mich bei Christoph Schlingensief und hoffe, dass die Freiheit, die er in seiner Arbeit gefeiert hat und die uns immer sehr inspiriert hat, die Theaterlandschaft noch lange prägen wird!
Right on!